Heavy Rain
15 May 2010Ich habe mich darauf gefreut Heavy Rain zu verreissen.
Eigentlich
Aber was soll ich eigentlich noch schreiben das nicht schon hundert andere gesagt hätten oder genauso aus meinem Fahrenheit Review übernommen werden könnte? Heavy Rain macht es einem fast zu einfach, die Punkte aufzuzählen, wegen derer David Cage nie wieder ein Spiel entwickeln dürfte. Ich werde mich also nicht aufregen über eine bescheuerte Story, dumme Charaktere, nichtvorhandenes Gameplay, eine verkorkste Steuerung oder lächerliche Plot Devices sondern einen grundlegenderen Punkt ansprechen der mir schon vor 5 Jahren Kopfzerbrechen bereitete.
Abgesehen davon dass ich Cage für komplett unfähig halte, glaube ich dass jeder Versuch, Spiel und Film auf ähnliche weise zu vereinen, grundsätzlich zum Scheitern verurteilt ist. Beide Medien betrachte ich als Form künstlerischen Ausdrucks. Gut, das ist nicht bei allen Vertretern beider Unterhaltungsformen der Fall, bei Heavy Rain gestehe ich diesen Anspruch allerdings zu, an guten Absichten und somit dem
Bestreben nach Ausdruck mangelt es Cage immerhin nicht.
Grundsätzliches Ausdrucksmittel des Films ist die Aneinandereihung von Bildern und Szenen durch den Regisseur, der den Inhalt jeder Sekunde auf der Leinwand bestimmt. Seine Entscheidung, eine Einstellung zu gestalten, sie zu zeigen oder wegzulassen ist seine Methode mit dem Zuschauer zu kommunizieren.
Was ist das Äquivalent dazu beim Videospiel? Welches Mittel ist so essentiell das es das Medium und seine Sprache definiert? Roger Ebert, ein bekannter Filmkritiker, wirft Spielen immer wieder vor, durch das Schaffen von Eingriffsmöglichkeiten seitens des Spielers den Regisseur in der Integrität seiner Komposition zu untergraben. Es sei das letztendlich Wahrgenomme nicht allein Produkt des Regisseurs und somit nicht Ausdruck seiner Intentionen. Dass dieser Einwand durchaus auch beim Film gilt (basierend auf Vorerfahrungen nimmt jeder Zuschauer einen Film anders wahr) lassen wir hier mal ausser acht, der eigentliche Punkt ist ein anderer: Eberts Einschätzung verfehlt einen grundsätzlichen Punkt dadurch, dass er von der Annahme ausgeht der audiovisuelle Output sei zu konsumierende Medium.
Genau dies ist nämlich nicht der Fall. Elementarer Bestandteil des Videospiels ist die Interaktion, Input und Output, Ping und Pong. Bild und Ton liefern lediglich Kontext und Veranschaulichung für Serien von Entscheidungen die der Spieler trifft. In der Auswahl der möglichen Entscheidungen und der Gestaltung ihrer Konsequenzen liegt der kreative Ausdruck des Spieleentwicklers.
Bei der Kombination von Film und Spiel entsteht hier ein fundamentaler Widerspruch: Der Film will dem Zuschauer Bilder in fester Abfolge präsentieren während das Spiel Entscheidungen und deren Konsequenzen anbieten muss. Wie sollen aber diese Konsequenzen ausehen wenn die Reihenfolge der Bilder vorgegeben ist? Die Durchsetzung der einen Absicht stört die Durchsetzung der jeweils anderen, so dass ihr Aufeinandertreffen in einem Kompromiss enden muss der beiden Seiten schadet. Werfen wir zur Veranschaulichung doch noch einen Blick auf Heavy Rain.
Wie schon bei Fahrenheit hat keine der Eingriffsmöglichkeiten des Spielers in Heavy Rain eine nennenswerte Konsequenz. Der Ablauf der Geschichte ist immer derselbe. Dialogfetzen und weggelassene Szenen verleihen der Handlung lediglich eine andere Deutung. Wer mit Madison herumvögelt (ein absolutes Highlight: Sex als Minispielchen) kommt im Abspann mit ihr zusammen, ansonsten fehlt diese Szene einfach. So vorhersehbar, so irrelevant.
Damit die Interaktion ohne Folgen überhaupt existieren kann, beschränkt sie sich in der Regel auf das Drücken eingeblendeter Knöpfe und das Triggern vorgegebener Ereignisse. In einem Action-, Puzzle oder Geschicklichkeitsspiel hat in der Regel jede Handlung Konsequenzen und zwar sowohl kurz- als auch langfristig. Selbst in Shootern (in denen die was taugen) muss der Spieler ständig strategische Entscheidungen treffen und die Konsequenzen bereits beschrittener Wege ausbaden.
Wie in Fahrenheit geht es hier geht es wieder nur darum den Ablauf des Geschehens entlang seines vorgegebenen Pfades voranzutreiben.
Spiele müssen in der Regel mit einem limitierten Set an Handlungsweisen auskommen um einigermaßen fokussiert zu bleiben und die Komplexität nicht explodieren zu lassen (Dwarf Fortress, I’m lookin at you). Heavy Rains “realistische” Welt suggeriert hingegen am laufenden Band Handlungsmöglichkeiten (die, welche man als Person in einer gegebenen Situation wahrnehmen würde) die nicht angeboten werden.
Ich kann nie mit meinen Beweisstücken zur Polizei gehen. Ich kann mein deprimierendes Apartment nicht aufräumen. Stattdessen kann man Babys stillen, Kühlschränke öffnen und Saft trinken. Bier nicht.
Ein Spiel bietet mir scheinbare Freiheit, wenn es mir alle Aktionen auch ermöglicht zu denen es mich motiviert. Wenn ich eine naheliegende Handlung nicht durchführen kann, komme ich mir schnell gegängelt vor. Wenn die Möglichkeiten so eingeschränkt sind wie bei Heavy Rain fühle ich mich massiv verarscht. Warum mir Optionen anbieten, die entweder belang- oder alternativlos sind?
Durch ihre Sinnlosigkeit führen alle interaktiven Elemente dazu, den “Film-Part” des Spieles einfach nur zu stören (mal ganz abgesehen davon dass er ohnehin schon zur Obercrap-Klasse gehört). Pacing, Kameraeinstellungen, das Verhalten der Figuren, alles wird durch die Manipulation des Spielers aus dem Rhythmus gebracht, es bleibt keine Komposition übrig, nur stümperhaft aneinandergereihte Versatzstücke.
Bitte, wer Filmen Interaktivität verleihen will, soll dies tun. Vielleicht machen wir mal da weiter wo wir 1995 aufgehört haben: eine Art Make-your-own-Adventure bei dem der Zuschauer an Schlüsselstellen entscheiden kann wie es weitergehen soll. Von dort aus könnte man sich vorsichtig weiterwagen. Evolution statt Revolution. Aber gegensätzliche Grundkonzepte beider Medien aufeinanderprallen zu lassen ohne ihre Eigenheiten zu respektieren wird nie und nimmer funktionieren.