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Review: Gears of War

Gears of War

Gäbe es nicht so geistreiche Beiträge wie Bester Trailer aller Zeiten oder den ein oder anderen Kommentar zu Dikis und Fragdiebs Retrogaming-Posts, könnte man auf die Idee kommen ich sei tot oder hätte das Zocken drangegeben.

Die Wahrscheinlichkeit einer dieser Alternativen war zwischenzeitlich in der Tat bedenklich ziemlich hoch.

Bedenklich ist das falsche Wort. Bedenklich für wen? Für mich? Wohl kaum. Ohne Videospiele ginge es mir wahrscheinlich besser und ich wüsste gar nicht was anzufangen mit der ganzen gewonnenen Zeit. Bedenklich für die Spieleindustrie? Dafür mache ich nicht genug Umsatz. Bedenklich für den Rest der Welt? Auch wenn ich es in der Vergangenheit mal gerne anders gesehen hätte, letztendlich habe ich doch kaum etwas das ich zur Welt, und sei es nur ihrer Videospielabteilung, beizutragen hätte.

Mir hing eine Zeit lang diese ganze Videospielscheisse fürchterlich zum Halse ‘raus. Der ganze Mist der da heraus kam interessierte mich nicht die Bohne. Nicht nur die deutsche Spiele-Blogosphäre ist eingeschlafen, auch auf meinen favorisierten amerikanischen Seiten regte sich kaum etwas. Dazu kam erheblicher Stress in der Uni.

Die Folge war, dass das einzige Spiel was mich über einen einigermaßen langen Zeitraum beschäftigen konnte, Picross DS war. God of War 2 habe ich zwar irgendwann mal durchgezockt, gegen Ende war das aber mehr Arbeit als Vergnügen. Tomb Raider Anniversary hat mich einigermaßen unterhalten, konnte mich aber auch nicht lange fesseln.

Auf einem geliehenen Wii habe ich Super Paper Mario durchgespielt, welches nach den ersten 3 Leveln drastisch nachließ. Überhaupt konnte mich die ganze Konsole kaum überzeugen. Das Spieleangebot ist wirklich für’n Arsch, die einzigen Gründe für Nintendo’s — zugegebenermaßen extrem schicke — kleine Kiste die mir zur Zeit einfallen sind Super Mario Galaxy, No More Heroes und Excite Truck. Der Rest des Lineups besteht aus Ports (Resident Evil 4, Trauma Center, Cooking Mama, Twilight Princess), Gimmickspielchen (Elebits, Wii Sports), wurde von mir schon durchgespielt (Kororinpa, Super Paper Mario) oder ist schlicht und ergreifend stinklangweilig. Insgesamt nicht genug um mir die Anschaffung schmackhaft zu machen.

Die Konsole, die meinen Spieltrieb wieder einigermaßen wecken konnte war die Xbox 360. Gewundert hat mich das nicht. Während Nintendo eifrig Zielgruppen erschließt, die sich mit gelegentlichen alkoholisierten Runden Wii Bowling zufrieden geben oder denen eine vage Aussicht auf bessere Zeiten reicht um 250€ lockerzumachen, während Sony voll und ganz damit beschäftigt ist, ihre Kunden mit Scherzen wie dem Dual Shock 3 zu verprellen anstatt die Playstation 3 mit einem Lineup zu versehen das ihren immer noch exorbitanten Preis rechtfertigt, baut Microsoft mit beachtlichem Ehrgeiz und Erfolg die Basis aus, die die alte Xbox gelegt hat.

Nachdem mittlerweile eine ganze Reihe von Spitzentiteln erschienen sind, die Konsole ihre Kinderkrankheiten gerade überstanden und zum ersten Mal erschwingliche Preisregionen erreicht hat, schien mir die Zeit für den Einsteig in die Next Generation reif. Der Titel der mich letztendlich die EC-Karte zücken ließ war, vielleicht sogar einigermaßen naheliegend, Blue Dragon.

Aus unerfindlichen Gründen enthält die deutsche Version von Blue Dragon keine japanische Sprachausgabe, daher habe ich mir die UK-Version bestellt und wo ich schonmal dabei war, Gears of War gleich mit.

Gears, Gears, Gears

Delta Squad

Gears of War hat mir den Glauben wiedergebracht, dass es möglich ist, Spiele zu machen die nach HD und Next-Gen aussehen und sich dabei wie alte Klassiker anfühlen, dass zwar immer noch nicht alles, doch aber einiges Gold ist was glänzt. Ich weiss, ich weiss, dass Gears ein ziemlich gelungener Wurf war stellt für den Rest der Welt, ein Jahr nach seinem Erscheinen, keine besondere Neuigkeit dar, ich allerdings war völlig von den Socken als ich Anfang des Jahres zum ersten Mal selbst einer Locust-Drohne das Kettensägenbajonett an den Hals setzte.

Alles was ich vorher über Gears gesehen, gehört oder gelesen hatte vermittelte mir den Eindruck eines der üblichen Actionspiele mit hohen Production Values und wenig Substanz. Mit Cliff Blezinskis Gameplay-Demo des Tutorial-Abschnitts auf der E3 2006 war Gears für mich eigentlich gestorben. Zu sehr erinnerte mich das ganze an das maue Call of Duty: Ducken — schiessen — ducken — schiessen.

Dumm von mir, zu vergessen dass CliffyB mitverantwortlich für Unreal war, einem meiner all-time Favourites. Dumm von CliffyB allerdings, dass er es irgendwie nie geschafft hat, die eigentlichen Qualitäten von Gears zu kommunizieren. Stattdessen ging es stets nur um unglaubliche Schränke von Männern mit gottverdammten KETTENSÄGEN als Bajonette. Vor diesem Hintergrund konnte man sich nach dem offiziellen Trailer für das Spiel nur fragen ob die bei Epic noch alle Tassen im Schrank hatten.

All meine Zweifel waren nach den ersten 15 Minuten mit Gears bei einem sehr enthusiastischen Kollegen wie weggeblasen. Unter der harten Schale steckte ein Spiel das mit äußerster Sorgfalt und Perfektion entwickelt und poliert worden war, dass sich ganz auf einen soliden Kern konzentrierte, an dem jedes Detail seine Aufgabe und Berechtigung hatte, in dem schließlich sogar Kettensägenbajonette nicht mehr lächerlich wirken sondern perfekt in das von Inhalt und Präsentation aufgebaute Szenario passen.

Was mich an Gears of War zuerst beeindruckt hat ist das visuelle Design, welches vor allem das Wunder vollbringt, das in den letzten Jahren so populär gewordene Graubraun tatsächlich gut aussehen zu lassen. Das schafft Epic mit einem irren Aufwand der in die Gestaltung der Levels eingeflossen ist. Nicht nur sind Einzelteile, Säulen, Türbögen, Statuen, Wand- und Deckenverzierungen unglaublich detailliert und verschieden, auch die übergeordneten Themen und Strukturen der Levels sind so abwechslungsreich dass sich die Assets nur sehr selten wiederholen.

Wirklich cool ist aber, wie Epic es geschafft haben, nicht nur die Optik sondern auch das Gameplay über den gesamten Spielverlauf abwechslungsreich und spannend zu gestalten. Auf den ersten Blick wirkt der Ablauf monoton, ein Stellungskampf reiht sich an den nächsten. Wenn man nur weit genug verallgemeinert trifft dieser Vorwurf jedoch auf jedes Spiel zu. Abwechslung stellt sich ein, indem die einfachen, sich wiederholenden Grundelemente zu völlig unterschiedlichen Situationen größeren Maßstabs komponiert. Nehmen wir Super Mario Bros. Dessen atomare Spielelemente lassen sich an 10 Fingern abzählen:

  • Springen
  • Laufen
  • Ducken
  • Gegner verschiedener Typen
  • bewegliche Plattformen
  • Röhren
  • Blöcke
  • Löcher im Boden
  • Pilz, Feuerblume, Stern, Coins
  • Bosse

Mit böser Zunge ließe sich behaupten, das Spiel bestünde aus nichts weiterem als nach rechts zu laufen und hin und wieder zu springen. Die Myriaden verschiedener Möglichkeiten diese Elemente zu kombinieren bieten allerdings über das ganze Spiel hinweg immer wieder neue Situationen.

Was nun die Qualität eines Spiels in dieser Hinsicht ausmacht, ist die Fähigkeit der Designer, die richtigen Grundelemente zu wählen und aus diesen möglichst unterschiedliche Situationen zu komponieren. Paradebeispiel für völliges Versagen in dieser Hinsicht ist Prey (ein grottiges Spiel aber leicht verdiente Gamerpoints). Lokalitäten in Prey sind entweder enge Gänge oder riesige, weite Räume. Die Gegner bieten kaum Abwechslung, die Waffen ebenfalls nicht. Daraus ergeben sich im Grunde 2-3 verschiedene Kampfsituationen die sich immer und immer wieder identisch wiederholen. Die Puzzles sind kaum abwechslungsreicher, lediglich gegen Ende des Spiels blitzt hier und da mal eine gute Idee durch.

Gears ist anders. Zwischen den Gegnertypen bestehen deutliche Unterschiede, die Waffen und die Kombinationen in denen man jeweils zwei von ihnen mitführt bieten sehr differenzierte taktische Möglichkeiten. Vor allem aber hat jede Kampfsituation ein anderes Layout und einen anderen Ablauf. Epic haben sich nicht darauf beschränkt einen Haufen Gegner auf die Map zu setzen und deren KI mal machen zu lassen, sondern sich wie Valve anno 1998 dazu entschlossen, Szenarien zu scripten und dadurch die Möglichkeiten zur Einflußnahme auf das Spielerlebnis zu verbessern. Die Areale werden dabei beim Eintreffen verschiedener Ereignisse mit neuen Gegnerwellen beschickt oder durch Einstürze un Explosionen umgebaut. Die Mittel die Epic hierbei zur Verfügung standen übertreffen die Möglichkeiten jeder KI.

Drama in fünf Akten

Gears of War

Der Nachteil eines solchen Designs ist, dass sich die kreativen Ressourcen der besten Designer irgendwann erschöpfen und der Aufwand der in die Umseztung ihrer Ideen fließt beträchtlich steigt je mehr sich diese sich voneinander unterscheiden. Glücklicherweise haben Epic aus ihrer Not eine Tugend gemacht. Anstatt Gears of War sinnlos auf 20 Stunden aufzublähen, beließen sie es bei fünf übersichtlichen Akten. Dieser knappe Umfang trägt wie die Komposition der Einzelsituationen zu dem Gefühl bei, einen Klassiker zu spielen in dem jedes Element seinen Platz hat.

Die klare Abgrenzung zwischen Levels ist etwas mit dem sich Entwickler seit Half-Life manchmal gerne schwertun. Dabei eignet sich diese Art der Strukturierung hervorragend um eine Erzählung aufzubauen. Gears’ Akte sind selbst wieder in Abschnitte (Bilder) unterteilt und wenn man die Analogie weiterverfolgen will kann man die einzelnen Kampfareale als Szenen betrachten.

Getrieben wird die Erzählung dabei durch Zwischensequenzen (bei denen sich inzwischen tatsächlich nicht mehr sagen lässt ob sie echtzeit- oder vorgerendert sind), Dialoge der vier Mitglider des Delta-Squad zwischen Abschnitten oder Kommentare zum Geschehen auf dem Bildschirm, die meist neue Points of Interest begleiten. Diese sind eine extrem coole Idee um Events in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken ohne dem Spieler dafür die Kontrolle zu entreissen. Stattdessen leuchtet nur kurz ein gelbes “Y” auf, durch Druck auf den entsprechenden Button schwenkt die Perspektive, um die Ereignisse möglichst dramatisch in Szene zu setzen.

Gears of War steckt noch voll weiterer liebenswerter Details. Das HUD gibt, sobald es nicht mehr gebraucht wird, die Sicht frei auf die wunderschönen Levels. Musik wird sehr effektiv eingesetzt um dramatische Gefechte zu untermalen oder Spannung zu erzeugen. Gut gemacht sind vor allem die Audiohints die verschiedene Ereignisse akustisch ankündigen und dadurch ein Stück der Übersicht wiederherstellen die durch die eingeschränkte Perspektive aller 3D-Spiele unvermeidlich verlorengeht.

Fast — aber nur fast — perfekt gelungen ist Epic ausserdem die Steuerung von Marcus Fenix. Das Schema mit dem das Spiel gesteuert wird ist sowohl den Gameplay-Elementen als auch dem Medium Konsole wie auf den Leib geschneidert, ich bin gespannt wie das auf dem PC umgesetzt wird. Eines der schwierigsten Probleme bei der Shootersteuerung per Pad ist die konstante maximale Geschwindigkeit mit der die Kamera gedreht werden kann. Ist diese zu hoch leidet die Präzision, ist sie zu niedrig sinkt die Reaktionsfähigkeit. Gears of War findet für dieses Dilemma eine extrem elegante Lösung: Die Kamera bewegt sich mit dem linken Trigger zwischen einer Verfolger- und einer Schulterperspektive hin- und her. In der Verfolgerperspektive ist der Blickwinkel offen und die Drehgeschwindigkeit hoch, über der Schulter zoomt die Kamera herein und die Steuerung wird präziser.

Nahezu alle Bewegungen werden mit dem A-Button durchgeführt, der je nach Situation in sinnvoller Kombination mit dem linken Stick anders funktioniert. Rennen, rollen, in Deckung gehen oder wieder hervorsprinten gehen damit sehr geschmeidig von der Hand. Hier liegt allerdings auch ein kleiner Wermutstropfen: nicht immer schafft Gears es, richtig zu erraten, was gerade von Marcus verlangt wird. So kann es hin und wieder vorkommen, dass man anstatt in Deckung zu gehen einen lustigen Purzelbaum Richtung gegnerischer Shotgun macht. Wann solche Missverständnisse drohen hat man aber eigentlich recht schnell raus und kann dann durch eindeutigere Stickbewegungen den Algorithmen etwas auf die Sprünge helfen.

Auch sind kleine Stolperer dieser Art in der Regel kein Beinbruch und werden erst auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad zu einem Problem. Während Casual sich noch gut alleine durchspielen lässt, ist Insane derart knackig, dass man sich am besten einen Kollegen dazu holt um im Co-Op Mode zu spielen. Dann blüht das Spiel allerdings noch einmal richtig auf. Sterben ist an der Tagesordnung und Zusammenarbeit Pflicht um vorwärts zu kommen. Dabei bieten viele Gefechte tolle taktische Möglichkeiten die sich nur zu zweit nutzen lassen. Dazu zählen zum Beispiel die Berserker, blinde Kampfkolosse die sich nur mit dem Hammer of Dawn erledigen lassen, einer Orbitalkanone die nur sehr langsam feuert. Normalerweise braucht es zwei Schüsse aus dem All um einen Berserker niederzustrecken, im Co-Op kann jedoch einer der Spieler dem Berserker eine Granate zwischen die Pobacken klemmen während dieser noch im ersten Laserstrahl brutzelt.

Einmal solo auf Casual, einmal zu zweit auf Insane, kommt Gears of War dann letztendlich doch auf seine 25-30 Stunden Spielzeit und bietet währenddessen soviel wie kaum ein zweiter Shooter. Hier hat Epic ein Franchise hingelegt das Halo (Drecksspiel) am Markt das Wasser reichen könnte. Im Abspann deutet sich bereits eine Fortsetzung an und eine Auslegung als Trilogie wurde von Cliff Blezinski bereits bestätigt. Wie man Gears of War noch eins draufsetzen kann vermag ich mir nicht vorzustellen, dass Epic das schaffen glaube und hoffe ich trotzdem.