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Review: R-Type Final

Ich liege auf dem Bett und höre BounceFM. Mir ist langweilig aber ich hab keine Lust irgendwas zu unternehmen, dass mehr als eine Fingerspitze Konzentration erfordert. Ninja Gaiden fällt damit flach, meinen FF-V Spielstand wiederaufnehmen kommt auch nicht in Frage. Genausowenig kann ich Invader Zim oder Fooly Cooly gucken, erfordert alles zuviel Aufwand.

Ich wälze mich in Reichweite der PS2 und starte R-Type Final. Vor ein paar Wochen gekauft, irgendwann beiseite gelegt und heute morgen wieder in die Finger gekriegt,

R-Type Final ist für solche Abende perfekt. Auf “Kids” kommt man zwar nicht zu Ruhm und Ehre aber auf diesem Schwierigkeitsgrad ist das Spiel extrem entspannend. Ein Shooter? Entspannend?? Allerdings: R-Type Final ist eines der krassesten Spiele die ich je gespielt habe, Ich würde zum Beispiel nicht behaupten das R-Type Final Spaß macht. Die Stimmung ist unglaublich düster und verloren, der spärlich eingesetzte Soundtrack tragend und dramatisch. Man schwebt sekundenlang über den Bildschirm ohne das etwas passiert. Kein Gegner greift an, es gibt keine Hindernisse denen man ausweichen müsste. Das Level scrollt nur endlos, fast quälend langsam im Hintergrund vorbei. Während solcher Szenen wird das Gemüt schwer und der Kopf leicht. Im Moment höre ich beim Spielen Musik. Man hat dabei nicht das Gefühl was vom Spiel zu verpassen, obwohl ich in dieser Beziehung sonst sehr empfindlich bin. R-Type bietet mir also eine beiläufige ziellose Beschäftigung, die dabei hilft, mich auf die Musik zu konzentrieren.

Es wäre ärmlich wenn nicht mehr für das Spiel sprechen würde, als die Fähigkeit beim Musikhören meine Finger und Augen zu beschäftigen. Final hat mich auf seine ganz eigene Art tief beeindruckt: Hier ist der Shooter der mehr ist als nur ein Shooter, der sich wenig für das übliche reaktionschnelle wegballern von Gegnerhorden interessiert, sondern der auf Atmosphäre und Narration setzt. R-Type Finalist ein vorbildliches Beispiel dafür, wie Spiele auch ohne klassische, d.h. anderen Medien entlehnte Erzähltechniken dem Spieler etwas vermitteln können.

Der Startbildschirm gibt schon das Thema des Spiels vor: Hoffnungslosigkeit, Einsamkeit, Die Force ragt mit den letzten Spitzen aus einem endlosen Ozean, von dem zugehörigen Schiff ist weit und breit keine Spur. Die Levels schicken uns auf eine Reise die an ihrem am Ende in unseren Köpfen Bilder davon entstehen lässt, was mit der R-9 des namenlosen Helden passiert sein könnte.

Der erste Abschnitt ist eine Stadt, die schief und halb versunken wie das Skelett eines riesigen Tieres in den Himmel ragt. Während vereinzelt Häuser im Hintergrund vorbeiziehen und der Ambient-Track die Totenstille, die zwischen den zerstörten Häusern herrscht noch verstärkt, fragt man sich was hier passiert ist. Als wir in das Skelett fliegen kommt uns eine andere R-9 entgegen, auf der Flucht vor irgend etwas Grauenvollem, dem wir uns nun stellen müssen ohne zu ahnen welches Schicksal uns erwarten wird.

Der zweite Abschnitt ist ein Wald, eigentlich ein recht klassischer Shooter-Abschnitt, mit der Besonderheit, dass er in 5 Varianten existiert: Der Endgegner hier verfügt über 2 Knöpfe mit denen man bestimmt, wie der Level beim nächsten Spiel aussieht: Wird der rote Knopf abgeschossen, wird es wärmer bis die Luft vor Hitze flimmert und von dem Wald nur noch verdorrte Äste und rissiger Boden übrig ist. Der blaue Knopf lässt es kälter werden, erst steigt allmählich der Wasserspiegel, schließlich friert der ganze Level zu und umfängt uns mit klirrender Stille. Ob Wüste oder Eislandschaft, der Abschnitt wirkt wie ein Abschied. Die Bydo haben alles Leben hier vernichtet. Selbst wenn dieser ganze Krieg vorbei ist, wird nichts so sein wie vorher.

Das dritte Level führt uns in eine Stadt, New York nicht unähnlich, über der ein bedrohlicher Schatten schwebt. Diesen bedrohlichen Schatten gilt es zu vernichten: Mit majestätischer Anmut und gemessenem Tempo bewegt sich das Kampfschiff der Bydo durch die Häuserschluchten während uns nichts anderes bleibt als hilflos und wütend zuzusehen wie diese Stadt, diese Zuflucht auch dem Krieg zum Opfer fällt bevor wir endlich zum verwundbaren Herz des Schiffes vordringen.

Nach einem Besuch im Bydo-Forschungslabor, an dessen Ende wir einer der Monströsitäten Auge in Auge gegenüberstehen sind wir völlig ausgebrannt und fertig. Die letzten beiden Level von R-Type Final bilden abschließend das Highlight des Spiels und zeichnen Irem als einen der wenigen Entwickler aus, die das Medium Videospiel wirklich begriffen haben. Schmerzlich wird dem Spieler vor Augen geführt, dass die Menschen selbst es waren, die die Bydo erschaffen haben: “Operation Last Dance”, die letzte Hoffnung der Menscheit führt uns hinein ins Herz des Bydo Imperiums und in Szenen die tatsächlich an den Tanz der Raumstationen in 2001 erinnern schauen wir den Bydo zu großartiger Musik bei ihrer Fortpflanzung zu. Stage F-A stellt die Verbindung zwischen den Bydo und ihrer Schöpfung durch die Menschen her. Während uns Phalanxen von Augen anstarren, begegnen sich hinter einem Vorhang aus Quecksilber die Schatten zweier Menschen. Agressivere Muster der Gegner erfordern unsere Aufmerksamkeit, als wir wieder zur Ruhe kommen, liegen die beiden Schatten eng umschlungen im Hintergrund.

Mit Worten allein lässt sich der Eindruck beim Spielen dieser Abschnitte schwer beschreiben, ich hoffe trotzdem dass klar wird was ich meine: Hier wird eine Geschichte erzählt, ohne auf irgendwelche Tricks zurückzugreifen. Es gibt keine Zwischensequenzen und keine langen Texte, alles wird im Spiel durch das Spiel vermittelt. Diese Form der Erzählung entbehrt konkreter Handlungen und gerade das finde ich ungemein spannend, da die Möglichkeiten die Videospiele in dieser Richtung haben noch nicht annähernd ausgelotet sind. Ist es möglich, mit Spielen quasi nicht nur Prosa sondern auch Lyrik zu machen? Auch Gedichte enthalten selten konkretes, sondern beschreiben Gefühle, Stimmungen und Gedanken in viel intensiverer Form als Geschichten.

Vielleicht bleibt R-Type Final gerade deshalb, absichtlich, so schwer spielbar. Ich habe 2001:Odyssee im Weltraum erwähnt weil ich denke dass 2001 und Final eine Menge gemeinsam haben. Auch 2001 lebt mehr von seinen Bildern und Stimmungen als von der Handlung, ebenso ist er manchmal schwieg zu schauen, vielen Menschen ist es sogar unmöglich ihn anzuerkennen, weil sie den Zugang zu ihm nicht finden. R-Type Fianl hat es mit seiner Pionierrolle (die weisgott anderen Spielen ebenso zukommt, Silent Hill 2 zum Beispiel) nicht unbedingt einfacher.

Ich bezweifle das R-Type Final in ein paar Jahrzehnten in Videospiel-Retrospektiven viel Beachtung finden wird, dazu war es wohl nicht polpulär genug. trotzdem verdient das Spiel auf jedenfall Respekt und sei es nur für seinen Mut etwas wirklich außergewöhnliches gewagt zu haben.

Infos zur Hintergrundgeschichte des R-Type Universums gibt’s hier. Der Eintrag in der Wikipedia stellt die einzelnen Teile der Serie vor.