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Review: Final Fantasy XII

Inwieweit die Veränderungen die Square-Enix in Final Fantasy XII in die Serie eingeführt hat das Design oder die Wahrnehmung des Genres jRPG beeinflussen, wird eine der interessanteren Beobachtungen sein, die wir 2007 zu machen haben. Dragon Quest und Final Fantasy haben in ihren frühen Teilen viele der Konventionen eingeführt, die das Genre bis heute heute definieren. Veränderungen am bekannten Schema waren stets eher behutsam als drastisch und das ganze Genre, mehr noch als Videospiele im allgemeinen, ist während der letzten Jahre zu einem Stillstand gekommen in dem quasi kein wesentlicher Fortschritt mehr zu verzeichnen war. Insofern sind die grundlegenden Bemühungen die in Final Fantasy XII unternommen wurden löblich, ihre Ausführung wirft allerdings Fragen auf, auf die ich noch keine zufriedenstellende Antwort gefunden habe.

Während der Dürre nach Final Fantasy IX und der Enttäuschung in Teil X waren meine Erwartungen an den nächsten Teil der Serie gemischt. An ein weiteres Nomura/Kitase Debakel hätte ich nicht eine Minute meiner Aufmerksamkeit verschwendet, als jedoch Matsuno als Mastermind hinter Final Fantasy XII bekannt wurde, bekam ich spitze Ohren. Erste Bilder und Videos versprachen eine Rückkehr zu klassichen Charakterdesigns im realistischen Look, das Setting angesiedelt in der Welt von Ivalice, die durch Final Fantasy Tactics und Vagrant Story bereits ein stimmiges Universum vorgab.

Dieser Einfluss nimmt Final Fantasy jedoch viel von seiner Identität, wie schon in Teil X fehlt hier das meiste dessen, was Final Fantasy erst definiert hat. Dem Spiel geht jeglicher Humor völlig ab, mit Ausnahme der (wirklich knuddeligen) Moogles sind alle Charaktere stets todernst bei der Sache. Die Grafik ist opulent und detailliert und gehört zum besten was die PS2 je darstellen wird, allerdings wirkt der Stil enorm trist und wenig abwechslungsreich. Mit all diesen Dingen ließe sich leben, wenn denn die Story ein wenig interessant wäre, doch weit gefehlt.

Ich hätte nicht gedacht, dass sich das zähe Geplänkel aus Final Fantasy X noch unterbieten lässt, aber in XII fällt es schwer, überhaupt von einer Story zu sprechen. Das Spiel ist enorm umfangreich (etwa 70 Stunden), aber nur ein Bruchteil dieser Zeit wird für das Erzählen der Rahmengeschichte verwendet. Die kurzen Sequenzen bilden keine flüssige Erzählung, motivieren kaum das Spielgeschehen und wirken vielfach eher wie ein Zugeständnis an Fans die Final Fantasy mit aufwendigen Rendervideos assoziieren als wie ein eingeplantes Designelement. Der politische Plot um die Machtspiele zweier Imperien bietet kaum Stoff für ein Videospiel und es stellt sich die Frage ob man in Ivalice nicht auch eine bodenständigere Geschichte mit Platz für Emotionen oder Drama hätte erzählen können. Die Geschichte bleibt stets belanglos und vorhersehbar, vermag durch ewig gemächliches Tempo nicht das kleinste bißchen Spannung zu erzeugen.

Unter diesen Umständen ist es schwierig bis unmöglich, den Protagonisten irgendeine Art von Leben einzuhauchen, die Partymitglieder wirken alle flach, einzig die aufgesetzt altertümliche Sprache der Dialoge ist bemerkenswert (and not in a good way).

Ärgerlich ist vor allem das hier verschenkte Potential. Dass die Geschichte im Ansatz Stoff für spannende Handlung bieten könnte und das einzelne Elemente durchaus gut geschrieben sind, ist nicht von der Hand zu weisen. Die Art und Weise jedoch, mit der Final Fantasy XII dem Spieler unzusammenhängende Handlungbrocken vor die Füße wirft, vergeudet diese Möglichkeiten. Etwa in der Mitte des Spiels findet die Party das Sword of Kings. Ein altes Relikt, das, öhm, unglaublich mächtig ist, um, äh, Nethicite zu zerstören, das sich sogar ausrüsten lässt, und dann? Nach einem winzigen Auftritt in der entpsrechenden Zwischensequenz spielt das Schwert weder im Spiel selbst, noch in der Handlung eine Rolle.

All diese Probleme sind für die Bedeutung von Final Fantasy XII jedoch allenfalls sekundär. Im Vordergrund steht das neue Kampfsystem. Das Spiel ist extrem lang und nur ein Bruchteil dieser Zeit entfällt auf Storysequenzen, die meiste Zeit verbringt der Spieler stattdessen in Dungeons und Oberwelt-Abschnitten, bekämpft zahllose Monster und levelt auf. Wie wichtig das für das Spiel ist, zeigt das Vorhandensein der Marks, einer Reihe von besonders schweren Monstern, deren Vernichtung auf Steckbriefen ausgeschrieben ist. Die Marks (sowie die Esper, die lediglich zum Einsammeln da sind, im Kampf auf der Seite des Spielers kommt ihnen keine praktische Bedeutung zu) sind das umfangreichste Element und gleichzeitig der Schlüssel zur Widersprüchlichkeit des ganzen Spiels.

Im Vergleich zu den gewöhnlichen Gegnern sind die Marks recht knackig und lassen sich oft ohne ein bißchen Planung kaum bezwingen. Planung bedeutet dabei das richtige Wählen der Gambits, kleine Logikbausteine, die das Verhalten der Partymitglieder steuern. In Verbindung mit den Echtzeit-Auseinandersetzungen ohne separaten Kampfbildschirm bilden sie das Kampfsystem von Final Fantasy XII. Vielfach für seine Fortschrittlichkeit gelobt, sieht kaum einer Spieler oder Kritiker, dass das neue Spielgefühl tatsächlich nicht vom Fortschritt geprägt ist, sondern von der Offenbarung der Lächerlichkeit gängiger Genrekonventionen.

Gelobt wird der Verzicht auf den seperaten Kampfbildschirm, der sonst die Kontinuität der Rollenspielwelten beeinträchtigt, sowie dem automatischen Verhalten der Partymitglieder die nun die Aufgaben selbsttätig ausführen, für die die man sonst zwar kaum nachdenken, zumindest aber ein paar Knöpfchen drücken musste.

Zufallskämpfe auf seperaten Kampfbildschirmen sind historisch aus den Unzulänglichkeiten der 8 Bit-Systeme entstanden, als man weder viele Sprites auf der Karte darstellen konnte, noch die vielen Informationen die für Kämpfe benötigt wurden unterzubringen wusste. Selbst als diese technischen Hindernisse wegfielen, wurde an diesem System festgehalten.

Der Ursprung des Genres, Dragon Quest, war eine japanische Version von Ultima, einer Computerumsetzung eines Pen&Paper Rollenspiels, einem System um interaktive Geschichten zu erzählen. Zur Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten der Spieler kamen (und kommen auch heute noch) mehr oder minder komplexe mathematische Systeme zum Einsatz. Dass diese Systeme nur Mittel zum Zweck sind, wird bei der Betrachtung von Computer-Rollenspielen gern übersehen. Während einer kurzen Periode vor einigen Jahren habe ich mit Freunden Shadowrun gespielt, nicht mehr als ein paar Sitzungen. Während dieser Sitzungen haben wir uns um die Regeln häufig kaum geschert und stattdessen so oft wie möglich ad hoc entschieden wer wie handeln konnte. Das funktionierte ganz wunderbar.

Die Entwicklung die das jRPG von Dragon Quest bis heute durchmacht, läuft in etwa wie folgt: Zuerst kam der Nachbau einer Pen&Paper Adaption, gefolgt von inkrementeller Ausbauten dieser Adaption mit neuen Elementen wie Echtzeitkampfsystemen, komplexeren Magie- und Ausrüstungsmodellen. Starke japanische Einflüsse in die Stories sowie Vermischung mit Aspekten aus Rundenstrategiespielen bringen uns irgendwo zwischen Final Fantasy VIII und SRPGs wie Tactics Ogre. Die Statistiken die ursprünglich mal Mittel zum Zweck waren, sind in den Mittelpunkt der Spiele gerückt. Zwar lässt sich inzwischen ein allmählicher Rückgang der Zahlenwut verzeichnen (von Nischentiteln wie den den Nippon Ichi Spielen mal abgesehen), die Idee, dass, um interaktiv Geschichten zu erzählen, das Dragon Quest Modell aus den 80ern nicht unbedingt das geeignetste ist, kommt aber scheinbar niemandem. Das Resultat sind zahllose, mit Klischees überfrachtete Titel, die, stets einem festen Schema folgend, immergleiches Publikum bedienen.

Das Absurde ist nun, dass Final Fantasy XII mit dem Verzicht auf den Kampfbildschirm zwar ein Statement weg vom Zahlenwust macht, dies aber erstens nur halbherzig tut und zweitens das eigentliche Problem verkennt und die lästigsten Übel nicht nur beibehält sondern sie noch verschlimmert.

Nach wie vor wird der Charakterfortschritt von sichtbaren Zahlen beherrscht und von Formeln gesteuert, deren Existenz zwar hervorgehoben, deren genaue Funktionsweise dem Spieler aber dennoch vorenthalten wird. Das Finden der mächtigsten Waffe im Spiel hängt davon ab, 64 über die Welt verstreute Truhen, die sich von gewöhnlichen Truhen durch nichts unterscheiden nicht zu öffnen. Das ohne Guide herauszufinden ist nicht unwahrscheinlich sondern unmöglich. So einen Mist kann man sich kaum ausdenken. Andere Items stehen in einem speziellen Shop zur Verfügung, dessen Angebot sich gemäß komplizierter Formeln aus den verkauften Hinterlassenschaften besiegter Gegner zusammensetzt, die nach gewissen Wahrscheinlichkeiten erscheinen. Wieder braucht man entwieder unglaublich viel Freizeit oder nur ziemlich viel Freizeit und einen Strategy Guide. Nicht umsonst erinnert das ganze Kernspiel mit den Marks, an ein Online-Rollenspiel.

Das Gambit System stellt mich ebenfalls vor ein Rätsel. Ich frage mich, was Leute, die Square für diese Entscheidung bejubeln, überhaupt antreibt Videospiele zu spielen. Die Gambits machen den Spieler zum Zuschauer der höchstens in Notsituationen eingreifen muss. Selbst die meisten der (nicht-optionalen) Bosskämpfe lassen sich mit einem Standardsatz an Gambits ohne weiteres Zutun bestreiten. Das einzige was dem Spieler bleibt, ist das Manövrieren der Party über die Map. Was daran fortschrittlich sein soll, entzieht sich mir.

Die Ironie an der ganzen Angelegenheit ist, dass gerade Dragon Quest VIII im Grunde wesentlich fortschrittlicher ist als Final Fantasy XII es je sein kann. Dragon Quests Spielmechanik ist erzkonservativ, aber darüber — und damit hebt es sich von Final Fantasy so sehr ab — ehrlich. So ein großer Schritt gegenüber ATB ist das FFXII System nicht, stellt man sich vor dass anstelle der Gambits bei jedem aktionsbereiten Partymitglied das Befehlsmenü aufklappt. Diese Verlogenheit, dieses Ablenken von den Kernproblemen durch oberflächliche Maßnahmen, ist gerade woran das Genre krankt. Bei Dragon Quest wird aus Zahlen hingegen wird kein Hehl gemacht, die Mechanismen die dem Spiel zugrunde liegen sind durch- und überschaubar. Der Kampfbildschirm erfüllt hier einen Zweck, er präsentiert uns die liebevollen Gegner und erlaubt dem Spieler die Bedienung eines Kampfsystems, das in seiner konzeptionellen Gradlinigkeit Final Fantasy XII weit überlegen ist.

Statt Final Fantasy vom Ballast zu befreien, wurde von Square-Enix all der alte Plunder in den Schrank gestopft und die Tür mit Mühe zu gemacht. Ihr Glück, dass noch niemand die Idee hatte, sie wieder zu öffnen und einen Blick hineinzuwerfen.