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Review: Fahrenheit

Schuster bleib bei deinen Leisten. David Cage sollte keine Videospiele machen. Dass er von ihnen nichts, aber auch gar nichts versteht hat er mit dem Schildstreich namens Fahrenheit, über den das halbe Internet inzwischen heftig diskutiert, eindrucksvoll bewiesen. Er hat es mit Fahrenheit tatsächlich geschafft, ein neues Genre zu erfinden: das nichtinteraktive Spiel, dem somit eine absolute Sonderrolle innerhalb eines inhärent interaktiven Mediums zukommt. Es ist schwer zu entscheiden wo man anfangen soll: Fahrenheit bietet einem jede Menge Angriffspunkte, da es in unglaublicher Weise auf allen Ebenen versagt und zum Nitpicking genauso einlädt wie zu grundlegenden Betrachtungen. Aber der Reihe nach:

David Cage weiss als Regisseur des Spiels tatsächlich nicht, was Videospiele besonders macht oder worin ihr Wesen besteht, für ihn sind sie nur ein weiteres Medium neben klassischen Formen künstlerischen Ausdrucks, Sprache, Text, Bild, Film, Theater und Fernsehen. Dabei übersieht er den fundamentalen Unterschied der ein Spiel erst zum Spiel macht: Die Interaktivität und die sich aus ihr ergebenden Möglichkeiten von denen er in Fahrenheit nicht eine wirklich und bewusst genutzt hat. Stattdessen beschränkt sich sein Verständnis von Interaktivität auf das Drücken von Knöpfchen. Ein Hund kann sich stundenlang mit einem Stöckchen beschäftigen ohne sich zu langweilen. Vom Spieler das gleiche zu erwarten, ohne sich über das Wie oder Warum des Knöpfedrückens Gedanken zu machen, funktioniert nicht, Das Drücken muss aus sich selbst heraus motivierend sein, muss Spaß machen, ein Grundsatz dem Spiele stets gefolgt sind. (Für eine ausführlichere Erklärung, siehe Kommentar unten) Cage hingegen hält es anscheinend für ausreichend, gedrückte Knöpfe mit der nächsten Zwischensequenz zu belohnen und vollzieht damit einen Schritt der Fahrenheit als Spiel die Grundlage entzieht. Selbst in stark storybasierten Genres wie beispielsweise RPGs ist die Handlung nicht alles: wenn ich tatsächlich nur Story will, sehe ich mir einen Film an oder lese ein Buch. Mal abgesehen von den rein Challenge-basierten Spielen wie Tetris oder Streetfighter lebt das Videospiel von der Verbindung zwischen Erzählung und Interaktion. In einem guten Videospiel ergänzen sich Story und Knöpfedrücken zu einer Einheit, Fahrenheit hingegen verfügt über eine maue Story und miserables Gameplay die obendrein noch völlig voneinander getrennt exisiteren.

Wer in einem Spiel Erzählung und Gameplay voneinander trennen will, was nicht geht, täte vielleicht besser daran, einen Film und ein Spiel zu entwickeln, anstatt beide halbherzig zusammenzuzwingen. Stattdessen liegt mit hier ein B-Movie vor, der gespickt ist mit Unterbrechungen, die jeweils in sich geschlossene, sehr sehr schlechte Spiele darstellen. Da diese Trennung aber nunmal vorliegt, will ich diese beiden Teile auch separat zu betrachten.

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Wie hat Fahrenheit als Film versagt?

Es ist schade, dass erkennbar einige gute Ansätze vorhanden waren, die dann leider vermasselt wurden. Die Story um die Indigo Prohezeihung (so auch der US-Titel des Spiels) ist zwar ziemlich abgedroschen, hätte aber durchaus unterhalten können, würde sie nicht ab der zweiten Hälfte des Spiels bis zur Lächerlichkeit mit willkürlichen Versatzstücken aus allen möglichen Filmen oder Spielen vollgestopft. Was hatten wir denn da? Die Kampfszenen aus Matrix, den Psychopathen aus Das Schweigen der Lämmer, die künstliche Intelligenz aus Deus Ex/Tron, eine generische Verschwörungstheorie, geheime Militärinstallationen aus Akte X, Maya-Kulte, ein blindes Medium in freakiger Wohnung (Ich frag mich wie Agatha in der Bude zurechtkam, rollstuhlgerecht war die nämlich nicht) und ein geheimnisvolles Mädchen in einem katholischen Internat. Dazu strotzt die Handlung nur so vor Ungereimtheiten wie der absolut unglaubwürdigen Sexszene zwischen Lucas und Carla und Nebenplots die mit der Story keine erkennbare Verbindung aufweisen. Tyler Miles, I’m looking at you. Zu diesem Thema gibt es von Cage sogar eine Erklärung und von mir eine Ergänzung: Fahrenheit war ursprünglich als Spiele-Serie geplant, und wurde erst im Verlauf der Entwicklung zum Einzeltitel. Nebenplots wie Tylers Beziehungsprobleme wären Kandidaten für einzelne Episoden gewesen und Cage brachte es nicht übers Herz, sie beim Sturz des Konzeptes ganz zu entfernen. Ich kann mir hingegen vorstellen, dass er ganz froh war, diese Szenen noch zu haben, anders wäre Fahrenheit kaum auf seine immernoch sehr spärlichen 8 Stunden gekommen.

Bei Tylers Figur frage ich mich sowieso die ganze Zeit, welche Rolle er eigentlich spielt, im Hauptplot kommt er kaum zum Einsatz und wenn, dann meist bloß als Sidekick von Carla. Den anderen Charakteren kommt in Fahrenheits Handlung zwar mehr Bedeutung zu, in der Planung des Spiels war dies aber offensichtlich nicht der Fall. Es wurde einmal tief in die Klischeekiste gegriffen und fertig: Grauer Bankangestellter: Check. Funkiger Afroamerikaner nebst obligatorischer Rastamütze: Check. Beruflich erfolgreiche, gutaussehende Frau, Single, mit schwulem Nachbarn: Check. Donutfressender, brüllender Polizeichef: Check… Einen großen Teil seines filmischen Anspruchs büßt Fahrenheit allein durch die enorm schwache Grafikengine ein. Vielleicht wäre es mit kein bißchen mehr Mühe in diesem Bereich möglich gewesen, nicht nur die Figuren weniger künstlich erscheinen zu lassen, sondern auch zu verhindern, dass die Schauplätze wie aus einem 5 Jahre alten Egoshooter aussehen.

David Cage schwärmt in seinem Developer Diary von den uneingeschränkten Möglichkeiten die eine rein virtuelle Szene und Kamera bieten. Leider nutzen einem diese tollen Werkzeuge nichts, wenn man nicht versteht, sie richtig einzusetzen. Die Kameraarbeit in Fahrenheit ist unterirdisch und stümperhaft. Müsste ich einen interaktiven Film drehen und wäre mein Budget beschränkt, wäre die Kamera das letzte bei dem ich Abstriche zulassen würde, da sich hier mit vergleichsweise wenig aufwand noch am meisten herausholen lässt. Quantic Dream hätten sich bloß einen Studenten von der nächstgelegenen Filmhochschule schnappen müssen um dieses Debakel zu verhindern. Der hätte ihnen vermutlich nebenbei auch den Tipp gegeben, bloß sparsam mit der Multiview Technik zu sein. Die menschliche Wahrnehmung ist nämlich nicht gerade dafür geeignet auf 3 kleinen Kästchen 3 verschiedenen Bewegungsabläufen zu folgen. Dezenter und sinnvoll eingesetzt, wäre dieses Feature einer der wenigen Pluspunkte für das Spiel gewesen, ich denke da an die Szene gleich zu Beginn, in der ein Overlay uns zeigt, wann der Polizist auf die Toilette geht. Um überzudramatisieren wie Carla sich über ihren Computer beugt oder um einen Schauplatz einzuleiten (Carla in der Shooting-Range, Lucas auf dem Friedhof) ist Multiview hingegen völlig unangebracht.

An vielen Stelle in Fahrenheit wage ich gar zu bezweifeln, dass Cage überhaupt jemals einen Film gesehen hat: Der Soundtrack. Ist zwar für sich genommen einer der wenigen soliden Bestandteile des Spiels, wird aber in den Händen von Quantic Dream wie die Kamera zum echten Reizfaktor. Die zu den Szenen gewählten Stücke spielen entweder zu laut oder sind völlig daneben, ich erinnere da an die Szene mit Tyler in der “Buchhandlung”: Plötzlich ertönt lauter Funk aus den Boxen meines Fernsehers, nach dem ersten Gespräch mit Takeo (der obligatorisch geheimnisvolle Klischee-Chinese) wechselt die Musik dann zu wesentlich passenderer Hintergrundberieselung. Carlas abenteuerlich Reise ins –uuuuhh– Archiv im Keller des Polizeireviers wird während der gesamten Dauer von laut und dramatisch kreischenden Streichern begleitet obwohl die Szene nach spätestens einer Minute ein bißchen spannend mehr ist.

All diese Mängel wären vielleicht hinnehmbar, wenn der interaktive Teil von Fahrenheit funktionieren würde. Tut er aber nicht.

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Fahrenheit das… Spiel?

Ein Spiel wird zum Spiel durch Interaktion. Interaktion bedeutet, dass das Spiel auf meine Eingaben reagiert, sich verändert. Genau das ist in Fahrenheit nicht der Fall. Cage faselt zwar ständig von Bending Stories, in der Realität verläuft die Story hingegen streng linear. Nichts von dem Einfluss den der Spieler ausübt ist wirklich von Belang für das, was auf dem Bildschirm passiert, sämtliche Eingaben haben den Charakter komplizierten Textboxen-Wegdrückens und dienen nur dazu, die nächste Szene der vordefinierten Handlung auszulösen. Dieses Prinzip hat mich schon bei den Adventures leicht gestört, bloß fiel es dort nicht so stark ins Gewicht weil es zum einen in der Regel mehrere Aufgaben gab, die parallel erledigt werden konnten (Beispiel: Finden der 4 Kartenteile in Monkey Island 2), zum anderen wurden einem dort ständig eine große Zahl von Interaktionsmöglichkeiten angeboten, von denen zwar immer nur eine das Spiel vorantrieb, die anderen aber wenigstens den Spieler mit Slapstick-Humor unterhalten und im allgemeinen die Illusion von Freiheit ein wenig besser hingekriegt haben. Fahrenheit hingegen bietet nie mehr als ein handvoll, häufig sogar nur eine einzige(!) Möglichkeit der “Interaktion”. Im Falle mehrerer Alternativen sind die ausführbaren Aktionen trivial oder alle zwingend notwendig für den Fortschritt, niemals stehe ich wirklich vor einer Entscheidung. Besonders befremdlich wirkt die Auswahl der möglichen bzw. unmöglichen Aktionen. Warum kann ich im ersten Kapitel nur mit Tyler in den Spülkasten greifen, während Carla die einzige ist, die in die Hocke gehen kann um unter der Toilette nachzusehen? Hinzu kommt, das logische, naheliegende und sogar höchst wahrscheinliche Optionen nicht angeboten werden. Tyler und seine Freundin Sam feiern zweijähriges Jubiläum. Tyler kommt nach Hause, Sam hat sich im Schlafzimmer eingeschlossen und bittet ihn, schonmal den Ofen anzumachen und Champagner einzuschenken. Solange das nicht erledigt ist, wird Sam im Schlafzimmer bleiben. Kommt sie dann heraus, fordert sie Tyler auf, Musik anzumachen. Man kann sich an dieser Stelle stattdessen aufs Sofa setzen und Sam wird in der Tür stehenbleiben bis sie schwarz wird. Ihr Atem war auf jeden Fall länger als meiner, irgendwann hab ich dann doch getan was das Spiel von mir verlangte. Als der Abend gemütlich wird, ruft Carla an. Sam sitzt auf Tylers Schoß und fordert ihn auf, nicht ranzugehen. Was macht Mann in einer solchen Situation? Natürlich nicht rangehen. Vielleicht ist Cage einfach zu sehr Nerd um das nachzuvollziehen, aber nicht rangehen steht in dieser Situation in Fahrenheit nicht zu Wahl, bleibt man sitzen klingelt das Telefon bis zum Sankt Nimmerleinstag. Diese Szene ist hier Stellvertreter für 2 Situationen die im Spiel ständig anzutreffen sind: Zum einen gibt es nur eine Option, diese muss trotzdem von uns manuell ausgeführt werden. Zum anderen verläßt sich Cage stets darauf, das der Spieler der engen Richtung folgt, die er vorgibt, Alternativen existieren nicht, nichtmal ein einfallsloses Nein, ich muss jetzt ans Telefon-Selbstgespräch von Tyler. Stattdessen nur eine der vielen Wegdrück-Aktionen.

Ein weiteres Spielelement in Fahrenheit sind neben diesen Adventure-ähnlichen Aktionen die Senso-Spielchen in denen der Spieler gemäß schlecht erkennbarer Anzeigen, die die Sicht auf das Geschehen behindern, die Analogsticks in je vier verschiedene Richtungen drücken muss. Ihr Sinn erschließt sich mir leider überhaupt nicht. Moment, nicht ganz richtig: Ihr Sinn für Quantic Dream ist klar, sie stellen in Fahrenheit die einzige Herausforderung an den Spieler dar, beschäftigen ihn und bieten Füllmaterial um die 8 Stunden Spielzeit zu erreichen. Ihr Sinn im Spiel ist jedoch kaum vorhanden. Im Gegenteil, sie stören sogar erheblich. Jedesmal wenn es auf dem Bildschirm spannend wird, reisst Fahrenheit den Spieler aus dem Geschehen heraus und zwingt ihn, sich auf 2 leuchtende Kreise zu konzentrieren. In Gesprächen wird das System eingesetzt um zu entscheiden ,ob bestimmte Fakten dem Spieler nun präsentiert werden oder nicht, dabei sind die Blinkmuster aber oft dermaßen simpel, dass Scheitern schon ein Kunststück ist. Warum also den Mist nicht gleich weglassen? Ich bin des Englischen zum Glück mächtig, weniger glückliche müssen in diesen Szenen entweder darauf verzichten sich die Untertitel durchzulesen, oder die miserable deutsche Synchronisierung ertragen. In Kampf/Ausweich-Sequenzen droht mir beim Vermasseln einer Sequenz der Abzug von Lebenspunkten, mehr nicht. Stirbt Lucas dabei, wird der letzte Spielstand geladen, so lange bis es funktioniert. Pech für den, der das “Sturm”-Kapitel mit nur einem Punkt bestreiten muss. Dass solche Sackgasssen in Spielen ganz große Scheisse sind, haben Lucas Arts Anfang der 90er begriffen, an Fahrenheit ist diese Erkenntnis spurlos vorbeigegangen, eine Möglichkeit die Lebenspunkte aufzufrischen gibt es nicht, das einzige was hilft, ist das Laden eines früheren Kapitels mit der Hoffnung, weniger Fehler zu machen. Trial-and-Error ist auch sonst recht angesagt bei Quantic Dream. Ich sach nur Stealth-Sequenz: auch wenn andere Wege den Eindruck erwecken ein Weiterkommen zu ermöglichen, gibt es nur einen einzigen vorgegebenen Pfad, der sich irgendwann ergibt, nachdem alle anderen Möglichkeiten ausgeschlossen wurden. Eine änhliche Situation gibt es zu Beginn des Spiels: Rette ich den Jungen im Park vorm Ertrinken? Na klar! Pustekuchen. Trotz Einhalten des Zeitlimits werde ich geschnappt, Game Over. Neustart. Ich verkrümel mich einfach, alles paletti. Man könnte an dieser Stelle einlenken dass meine Entscheidungen hier sehr wohl Konsequenzen haben, auf Lucas Verfassung nämlich. Diese funktioniert wie eine zweite Hitpoint-Anzeige: Junge sterben lassen: -20 Punkte. Spät im Büro abhängen: -20 Punkte. Beziehung auflösen: -45 Punkte. Pinkeln: +5. Solange man zusieht dass dieser Wert über 0 bleibt, ist alles egal, ansonsten endet das Spiel, man lädt einen älteres Kapitel und weiss jetzt dass man sich das Bild, das da so beiläufig auf der Kommode steht besser nicht angucken sollte (-20). Dieses aufgepappte Stimmungsbarometer funktioniert nicht nur schlecht, sondern ist völlig ohne Einfluß auf den eigentlichen Spielablauf. Die Erklärung kommt wieder praktischerweise von Cage persönlich: Ursprünglich sollte der Spieler sich selbst schlecht fühlen, da das aber offensichtlich nicht funktioniert hat, wurde das ganze dem Spieler abgenommen und in Form der Stimmungspunkte ins Spiel gepresst.

Den dritten und letzten Teil von Fahrenheit, der vom Spieler Eingaben erfordert, stellen die Dialoge dar. Hier sind die gewählten Antworten mit einer Ausnahme am Ende des Spiels ebenfalls ohne Belang für den Spielablauf, wieder wird nur unsere Stimmung beeinflusst. Vielleicht ist da auch besser so, denn Fahrenheit gibt einem kaum Zeit, sich in Gesprächen für eine Alternative zu entscheiden: Innerhalb von 2-3 Sekunden muss eines von vier Stichworten angewählt werden, die oft wenig Aufschluß darüber geben, welcher Satz sich tatsächlich hinter ihnen verbirgt. So passiert es häufig, dass Lucas oder Carla etwas ganz anderes fragen, als man eigentlich wissen wollte. Die Idee hinter diesem System war wohl, dass man im richtigen Leben seine Antworten in Gesprächen auch schnell wählt, der Spieler sollte in Fahrenheit in eine ähnliche Situation versetzt werden. Das funktioniert nur leider überhaupt nicht. Zum einen kann ich in richtigen Gesprächen auch mal mehr als 3 Sekunden über eine Antwort nachdenken, zum anderen muss ich nicht aus 4, mir völlig schleierhaften Stichpunkten auswählen. Die Idee mit diesen Tricks Immersion zu erzeugen oder darüber hinweg zu täuschen dass wir ein Spiel spielen ist lächerlich. Man kann reale Situationen nicht 1:1 in eine virtuelle Welt übersetzen und die gleiche Wirkung erwarten. Ein gutes Beispiel für dieses Phänomen sind Filmdialoge: Schauspieler reden nicht wie normale Menschen, sie stottern nicht, sie machen keine Pausen in den Sätzen. Täten sie das tatsächlich, würden ihre Rollen platt in sich zusammenfallen. Das Prinzip lässt sich übertragen. Die Überzeichnung stellt ein Stück der Plastizität wieder her, die durch die Distanz des Zuschauers zum Medium eingebüßt wird. Fahrenheit hätte also nicht erst versuchen sollen, realen Zeitdruck in Gesprächen wiederzugeben, zumindest aber das ganze wenigstens richtig machen können. Mehr Zeit und ausführlich Sätze statt Stichworten hätten dazu schon genügt.

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Schluss

Es bleibt mir ein Rätsel, wie Leute zwar erkennen können, dass Gameplay und Story in Fahrenheit echter Murks sind, sich aber dann auf die tolle Atmosphäre und glaubwürdigen Charaktere berufen, denn auch diese beiden Elemente leiden stark unter den ganzen, zum großen Teil bereits aufgezählten Merkwürdigkeiten und Unzulänglichkeiten mit denen der Spieler ständig konfrontiert wird. Wenn Carla zum fünften Mal aus dem Keller rennt weil man vergessen hat ständig L und R zu drücken, fühle ich vor dem Bildschirm bestimmt nicht ihre Klaustrophobie nach, sondern bin angenervt ob der Schwierigkeit dieser eigentlich trivialen und obendrein sinnlosen Aufgabe (Nochmal zur Rekapitulation: Jeder Polizist hat auf seinem Tisch einen PC. Die Daten die Carla sucht, liegen digital vor, wozu muss sie dann überhaupt in den Keller?).

Das genannte Beispiel schafft nicht nur (wie viele andere Momente) Distanz zum virtuellen Geschehen, sondern zeigt auch, warum sich Spiel und Film in der Form, wie Fahrenheit sie praktiziert, nicht verbinden lassen. Die Unterbrechungen der Handlung durch interaktive Sequenzen zerstören völlig das Pacing, den Fluss der Erzählung, sei es dadurch dass wir wegen der hakeligen Steuerung ständig an Möbeln hängenbleiben oder durch vollkommen überflüssige Minispiele wie das Zielschießen mit Carla eine spannende Szene zerrissen wird: zum ersten Mal lichtet sich der Dschungel um die Geschehnisse des ersten Kapitels ein wenig, prompt werden wir alle paar Sätze grundlos dazu gezwungen, Schießübungen zu machen? Warum kann Carla nicht sagen “Nein, ich will jetzt nicht schiessen, ich würde gerne über die Akte reden”?

Als Inspiration für das gleichzeitige Spielen von Täter und Ermittler nennt Cage Hitchcocks Filme. Das Prinzip, den Thriller als Katz-und-Maus Spiel zu inszenieren, lässt sich auf ein Spiel nicht übertragen: Seine Spannung resultiert daraus, den beiden Kontrahenten bei einem Rennen um die Wahrheit zuzusehen, in Fahrenheit hingegen kontrollieren wir beide Parteien, aus dem Rennen wird ein Spaziergang der mit einem voraussehbaren Ende nur noch sinnloser wird, da der Spieler sich nicht einmal entscheiden kann, einer Seite den Vorzug zu geben. Seine Rolle besteht nur darin, der Handlung immer wieder einen kleinen Schubs zu geben, die Aufgabe für ihn lautet ganz ungeniert nicht Fang den Mörder oder Entkomm der Polizei, Aufgaben bei denen man tatsächlich versagen oder erfolgreich sein könnte, sondern Schließe die Szene ab, damit die nächste losgehen kann, etwas das früher oder später einfach erledigt, abgehakt wird. Wieder sind die Aufgaben des Spielers ohne wirkliche Bedeutung.

Viele von Fahrenheits groben Mängeln sind vielleicht dadurch zu erklären, dass Quantic Dream als Team kaum Erfahrung mit der Entwicklung von Spielen haben, nicht wissen wie der Spieler denken. Unfähig mögliche Handlungen und Absichten vorauszusehen und irgendwie zu behandeln, wird er auf Schienen gezwängt auf denen er gar nicht anders handeln kann als vorgesehen. Ich habe gerade eben nochmal versucht, die Stelle in der Bibliothek zu spielen, ohne mir “Der Sturm” anzusehen und den Bank-Ausriss zu bemerken (Den die Spurensicherung eigentlich hätte finden müssen, nur eines der vielen Plot-Holes): Es geht nicht. Auf dem Weg nach draussen fällt der Schnibbel von allein aus dem Buch, dreht man sich selbst dann nicht um, ihn aufzuheben, macht Takeo Tyler beim Öffnen der Tür darauf aufmerksam. Diese Art der Bevormundung ist echt ärgerlich, durch die unglückliche Wahl von Fahrenheits Erzählstruktur aber kaum anders machbar wenn man davor scheut, sich wirklich mit dem Problem verzweigender Stories auseinanderzusetzen.

Wie unglaublich viel bei Quantic Dream während der Entwicklung von Fahrenheit auf der Strecke geblieben ist, zeigt das Developer Diary auf 1up. Während der Lektüre musste ich mich ständig vergewissern, dass Cage tatsächlich von Fahrenheit spricht, so groß klaffen seine Wahrnehmung des Spiels und die Realität auseinander. Zwei echte Perlen sind folgende Zitate:

The final missing piece in this puzzle was to make the player forget the interface. Often, the controller is just a remote control to move a bunch of pixels on screen. For Indigo Prophecy, it had to be a part of the experience, an extension of the player’s physical body in the world of the game. Die Steuerung ist eines kaputtesten Elemente von Fahrenheit überhaupt. Abgesehen von der Möglichkeit, durch Drücken nach Rechts den Charakter nach links zu bewegen und der oft sauschweren Aufgabe einen Triggerpunkt auf der Karte im ersten Versuch korrekt anzusteuern (Telefon in Luacs Wohnung) ist das Konzept, den Stick je nach Situation in eine andere Richtung bewegen zu müssen um zu Handeln in höchstem Maße unintuitiv, weil ich jedesmal erst die winzigen Symbole am oberen Bildschirmran entziffern muss um herauszufinden welche Richtung gerade angesagt ist, statt einfach X zu drücken.

The idea that we don’t really have any true choice in our daily lives was a very interesting concept for me, especially when presented in a media based solely on choices. In our lives we believe that we are free, but we usually only do what is expected from us. We can do virtually anything, but we just do what sounds reasonable. The allegory was perfect with the narrative experience I was trying to create. I wanted to make the player believe that he is entirely free, but of course, he just does what I was expecting him to do. David, du bist so dämlich: Es besteht aus der Sicht des Handelnden ein großer Unterschied dazwischen aus mehreren Möglichkeiten immer nur eine bestimmte zu wählen und tatsächlich nur eine einzige zu haben. Ausserdem: “Sounds reasonable” ist für jeden etwas anderes, abhängig von unserem Erfahrungsschatz und unserer Einstellung: Zu Beginn des Spiels kann “sofort flüchten” genauso vernünftig sein wie der Versuch, erst die Spuren zu vertuschen. Wie zu Hölle soll der Spieler in Fahrenheit glauben er sei “entirely free”, wenn er in seinem Handungsraum bei jeder noch so kleinen Bewegung an eine Grenze stößt? Für wie blöd hälst du uns, dass wir so etwas nicht bemerken würden?

Die Lieblosigkeit die in Fahrenheit steckt kann man sofort spüren. wenn man den Controller zum ersten Mal in die Hand nimmt. Nichts an Fahrenheit ist richtig erdacht oder mit Sorgfalt ausgeführt worden. Wie soll ich ein Spiel mögen, das von seinem Schöpfer nicht geliebt wurde, in dem an keiner Stelle ein Fünkchen Witz oder Brillianz durchschimmert?

Der Weg den Fahrenheit beschreitet führt in die falsche Richtung. Was Quantic Dream da versucht hat bringt weder Adventurespiele zurück (was mich persönlich nicht besonders bedrückt), noch lockt es Leute zu Videospielen die mit dem Medium bisher Berührungsängste hatten, auch wenn David Cage sich das so gedacht hatte, die Senso-Sequenzen sind dafür einfach zu frustrierend und schwierig für jemanden der keine Erfahrung mit Videospielen hat. Vor allem aber bringt Fahrenheit Videospiele als Medium nicht weiter, betritt kein neues Terrain sondern ignoriert alles was ein Videospiel ausmacht und tritt stattdessen feige den Rückzug zum großen Bruder Film an. Ich würde mich freuen, wenn sich ein talentierter Developer des grundlegenden Konzeptes annehmen und wirklich ein Spiel daraus machen könnte.

Fahrenheit war nur ein gescheiterter Versuch.

Das Developer Diary bei 1up