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Review: Dragon Quest VIII

Jedes Weihnachten hat sein eigenes Spiel. Ein Spiel, in das man über die Feiertage seine Zähne schlagen kann, das einem hilft, für 2 Wochen den öden Uni- oder Schulalltag zu vergessen (Eine Runde Mitleid für alle, die schon im Beruf stehen und keine 2 Wochen Urlaub haben: Ooooh). 2003 war dieses Spiel für mich Chrono Trigger, oder besser die letzte Hälfte von Chrono Trigger. 2004 habe ich gleich 2 mal hintereinander Metal Gear Solid 3 durchgezockt. Mein Weihnachtsspiel 2005 fiel mir irgendwie aus heiterem Himmel zu, fing unscheinbar an und zog mich dann in seinen Bann: Dragon Quest VIII.

Zuerst machte Enix mit der 8ten Iteration eines Konzepts dessen Berührungen bisher eher kurz und schmerzhaft waren keinen besonderen Eindruck auf mich. Die ersten Schritte bei shad waren eher ernüchternd: Der Titelscreen zeigt einen grünen Gnom mit Pferdewagen, begleitet von einem Fettsack und einem Jungen in der gelbsten Jacke die ich je gesehen habe. Die erste Aufgabe besteht darin, für den grünen Gnom, der sich kurz später als verfluchter König vorstellt, in dem Kaff Farebury einen Zauberer aufzusuchen, der der bunten Truppe bei der Suche nach dem Verursacher der merkwürdigen Erscheinung König Trodes und seiner Tochter Medea helfen soll. Leider ist die Hütte eben diesen Zauberers heruntergebrannt, zu unserem Unglück während ihr Bewohner noch darin weilte.

Beim Verlassen des Dorfes spricht uns ein Mädchen an und bittet uns, ihr einen Gefallen zu tun und ihrem Vater, dem Wahrsager Kalderasha seine Kristallkugel wiederzubeschaffen; unser erstes Quest, zwar noch ganz ohne Dragons, aber immerhin.

Meine JRPG-Erfahrung bis zu diesem Punkt bestand vor allem aus den diversen Teilen der Final Fantasy Reihe und die Banalität dieser ersten Aufgabe kam etwas komisch rüber. Keine Geheimnisse lüften, Dörfer retten oder Reaktoren sprengen? Aber gut, Quest ist Quest, ob mit oder ohne Dragons, also stiefel ich mit Yangus (der Fettsack) los in Richtung des Wasserfalls in den Kalderasha im Zorn seine Kugel geworfen haben soll.

Bei dieser einfachen Aufgabe, nein, nicht dem Beschaffen der Kugel, sondern dem Weg zum Wasserfall, schiebt uns Dragon Quest VIII seinen ersten Trumpf zu: Eine Oberwelt, so lebendig und kohärent wie ich sie bisher nur bei Morrowind gesehen habe. Wirklich, die Landschaften, die Dörfer, Städte, Schlösser und Dungeons miteinander verbindet sind unglaublich. Groß und weit, voller Wälder, Pfade, versteckter Winkel und Ecken, abwechslungsreich gestaltet und wunderschön anzusehen.

Alle paar Meter lädt ein interessanter Hügel dazu ein, vom Weg abzuweichen und nachzusehen, ob sich dahinter nicht eine der großen roten Schatztruhen verbirgt. Wo wir schonmal da sind, können wir auch gleich hinter dem anderen Hügel da hinten nachgucken und hinter dem Baum,… Zack, ehe man sich versieht steht man mitten im Wald, ohne Karte, findet den Weg zurück nicht mehr und sieht sich einer Gruppe Golems gegenüber, für die das eigene Level nicht mehr ganz ausreicht.

Die Gegner sind die einzigen, die auf Dragon Quests großer Karte die Grenzen des erforschbaren Gebiets abstecken. Leichte Levelunterschiede wirken sich drastisch aus, Ein paar tausend Erfahrungspunkte und 2 Stufen später schon haben sich die Areale in denen du dich relativ gefahrlos bewegen kannst, erheblich erweitert haben.

Die ersten 20 Stunden des Spiels steht keine Weltkarte zur Verfügung, also hälst du dich nach den ersten schmerzhaften Auseinandersetzungen an die vorgegebenen Wege. Diese Art der Orientierung offenbart sich als verblüffend effektiv: Indem du dich vom Plot leiten lässt, gleitest du geschmeidig durch das Spiel, nie in der lästigen Situation, grinden zu müssen, stets so stark, dass die Gegner weder zu schwach sind noch ein ernstes Problem darstellen.

Balance ist Dragon Quests VIIIs zweiter Trumpf, es ist einfach Wahnsinn, wie Level 5 es schaffen, mich als Spieler immer wieder zu motivieren. Jedesmal, wenn das Interesse nachlässt, holt DQ ein neues Leckerli aus der Tasche und hält es mir vor die Nase. Die Abstände zwischen diesen kleinen Anreizen sind perfekt gewählt, so dass der Strom von Neuerungen niemals abreisst und beim Erreichen eines Ziels das nächste stets schon fast –aber immer nur nur fast– greifbar ist.

Diese Motivation lässt sich schwer erklären, schwer beschreiben. Drücken wir’s mal in Zahlen aus: Dragon Quest VIII hat mich bis zum Besiegen des regulären Endgegners exakt 81:00 Stunden lang nicht nur hervorragend unterhalten, sondern geradezu an die Glotze gefesselt. Ohne Scheiss, ich habe seit Beginn meiner Weihnachtsferien am 16. Dezember jede, jede Nacht von 20h abends bis morgens um 2-3h gezockt. Man könnte einwenden, dass manche Dinge in Dragon Quest VIII überdurchschnillich lange dauern. In letzter Zeit mag ich zwar meine Spiele auch eher kurz und knackig, trotzdem habe ich jede Minute in Dragon Quest genossen, wollte immer noch mehr und konnte nie genug kriegen. Ungeduldige werden anfangs ächzen und stöhnen über das Speichersystem und die Ladezeiten (geh in die Stadt, geh ins Inn, sprich mit dem Host, geh in die Kirche, sprich mit dem Priester), so wie ich nach den überaus komfortablen Speicherpunkten in FFX anfangs den Kopf geschüttelt habe. Das Tolle aber ist, dass dieses System letztendlich kaum eine Rolle spielt. Mal ehrlich, so oft speicherst du nicht, zumal der Tod in Dragon Quest niemals endgültig ist. Stirbt die Party, verlierst du etwas Geld und wachst in der letzten Kirche wieder auf.

Dragon Quest VIII schreit von vorn bis hinten “OLD SCHOOL”. Es ist ein bißchen schizoid, das auch die Leute, die sich sonst so über RPG-Konventionen echauffieren, DQ8 gerade dafür in den Himmel loben. Aber sie haben alle recht: Ja, es gibt Zufallskämpfe, ja das Menü ist manchmal ein Krampf, ja das Aufleveln funktioniert genauso wie 1986 aber alle Elemente greifen so perfekt, so stimmig ineinander, dass die kleinen Macken wirklich keine Rolle mehr spielen, vor allem weil die Präsentation so brilliant ist.

Neben ihren funktionalen Besonderheiten habe ich auch schon die Gestaltung der Landkarte erwähnt, ich will nochmal darauf zurück und somit zu Trumpf Nummer 3 kommen: Technisch haut DQ8 zwar niemanden vom Hocker der schon mal eine PS2 in Action gesehen hat, aber blicke ich in der Serie zurück auf die bisherigen Teile, die grafisch für ihre Zeit immer eher eine Lachnummer waren, freue ich mich schon über eine Abkehr von diesem traditionellen Makel. Richtig um hauen einen aber nicht Polygonzahlen sondern das Artdesign und holy shit, sieht Dragon Quest VIII gut aus. Hut ab vor Akira Toriyama.

Wiesen und Wälder strahlen in dem sattesten Grün diesseits von Irland, Hügel, Berge, Wälder, Strände, Schluchten, alles ist sehr harmonisch arrangiert und lässt die drei Kontinente unglaublich überzeugend wirken. Es gibt eine Stelle, ca 5h im Spiel, du hast noch keine Karte, an der du mit dem Boot einen Hafen auf einem neuen Kontinent anläufst und den Tipp bekommst, nach Maella Abbey zu gehen, diese befände sich irgendwo im Osten. Jemand empfiehlt dir, erstmal danach Ausschau zu halten, du steigst also auf den Multi-Purpose Tower des Hafens und blickst dich fasziniert um.

Der Himmel strahlt, die Sonne scheint und die Sichtweite ist fantastisch: Auf der einen Seite schaust du nach unten und siehst den Kai mit dem Boot auf dem ihr gekommen seid, dahinter das Meer und in gehöriger Entfernung den Hafen in dem ihr noch die letzte Nacht verbracht habt. Auf der anderen Seite, hinter Bäumen und Hügeln glänzt das Dach der Abtei, dahinter erheben sich schneebedeckte Berge.

Nicht nur der Landschaft kam soviel Aufmerksamkeit zu, jedes einzelne Dorf wurde liebevoll gestaltet, jedes Haus behutsam entworfen, sogar bei der Innenarchitektur nichts dem Zufall überlassen. Simple Dinge, die Positionierung der Betten und Schränke, Details wie kleine Erker, die Art wie Sachen unter Treppen abgestellt sind oder Wandteppiche die Schlösser verzieren schaffen es, rufen immer wieder Verzückung hervor, weil die Entspanntheit mit der Dragon Quest vorgeht, einem wirklich Gelegenheit gibt, diese Dinge erst zu bemerken. Richtig bombastisch kommen die wirlich exponierten Bauwerke zur Geltung. Bei meinem ersten Besuch der Savella Cathedral blieb mir in einer Weise die Luft weg wie ich es in Rom im Petersdom erlebt habe.

Das Townsfolk und die NPCs können nicht so beeindrucken. Ihr Charmelevel liegt eher auf dem der netten kleinen Häuser. Trotzdem, bei den Häusern ist das schon ein dickes Lob, bedenkt man wie hölzern und austauschbar Dorfbewohner in Rollenspielen für gewöhnlich sind. Es gibt in etwa 40 verschiedene Models die die Städte mit Leben füllen, wobei jede von Ihnen ein ausgeprägtes und einzigartiges Erscheinungbild hat. Was ich woanders eher Nichtspieler-Figuren nennen würde sind hier wirklich Charaktere, die alle eine klare Persönlichkeit und ein dazu passendes Erscheinungsbild haben, wer meint das Toriyamas Figuren alle gleich aussehen, der irrt sich gewaltig. Einen großen Teil ihrer Perönlichkeit ziehen die Figuren in Dragon Quest VIII aber nicht aus ihrer Optik sondern aus der hervorragenden Synchronisation.

Die Sprachausgabe kommt vor allem den Hauptfiguren zugute. Anfangs war ich von den britischen Akzenten doch stark angenervt, aber vor allem King Trode ist mir nach ein paar Stunden so ans Herz gewachsen, dass ich die nächste Cutscene immer kaum erwarten konnte. Die Zwischensequenzen sind gespickt mit Albernheiten und Slapsticks, da macht sich so ein hochnäsiger, kleinwüchsiger Jähzorn immer gut.

Überall lese ich, die Story von DQ8 sei zu seicht. Da ist tatsächlich was dran. Die Story gibt nicht viel her, die Beschreibung der kompletten Spielhandlung würde in den Final Fantasies früherer Tage gerade für die ersten 3-4 Stunden reichen, Dragon Quest füllt damit mindestens 50, im Durchschnitt etwa 70 Stunden, den geheimen Bonusdungeon am Ende des Spiels nicht mitgerechnet. Oft sind dabei zum Weiterkommen Quests erforderlich, die mit der eigentlichen Aufgabe der Party nichts zu tun haben.

Nun, ich habe damit kein Problem, im Gegenteil, ich fand’s sehr angenehm, mich im Angesicht des letzten Endgegners noch an jeden Schritt meiner Reise erinnern zu können. Ausserdem: Dragon Quests Stärke war noch nie die Story, dafür sind andere zuständig.

Nein, der Schwerpunkt liegt auf den Kämpfen und hier zahlt sich aus, das Enix auf ein System vertraut, dass 10 Jahre Zeit zum reifen hatte. Die Begegnungen mit den allesamt sehr originell gestalteten und hervorragend gezeichneten und animierten Gegnern sind eine helle Freude. Die Kämpfe laufen sehr flott ab (vergleichbar mit FFX (NTSC)), gegen schwächere Gegner reicht oft ein Angriff um sie auszulöschen, in der Regel braucht ein Kampf ein bis zwei Runden wenn man sich nicht zu dämlich anstellt. Im Vergleich zu Squares Titeln sind die Statuswerte sehr bescheiden, der Hauptcharakter, der namenlose Held in der unglaublich gelben Jacke, beginnt das Spiel mit 13 Hitpoints, ist bei mir zur Zeit auf Level 40 und hat selbst da gerade mal knapp 400. Die Schadenswerte bewegen sich ebenfalls stets in einem überschaubaren Rahmen, den Endgegner schätze ich auf 4-5000 Hitpoints. Diese Nummern machen ein Vergleichen und Erleben des Fortschritts möglich wo Final Fantasy nur noch mit beliebig lächerlichen Zahlen um sich schmeisst. Die Formeln die über Angriff und Verteidigung entscheiden sind nicht so sehr dem Zufall unterworfen, dadurch lassen sich für die Gegnergruppen jeweils schöne kleine Taktiken ermitteln, auf die man sich dann meist verlassen kann.

Der Schwierigkeitsgrad des Spiels ist moderat. Gut, beim ersten Endgegner wird jeder einmal den Löffel abgeben, aber mit der bis dahin gewonnenen Erfahrung (jetzt im Sinne von Spielerfahrung, nicht Experience-Points) lassen sich fortan unliebsame Überraschungen vermeiden. Wer die Zufallskämpfe nicht scheut, wird mit keinem Boss Probleme haben, längere Auflevel-Sessions waren bei meinem Spiel bis auf eine Ausnahme nicht nötig, selbst dabei hat ein einziges LevelUp für alle gereicht.

Ich schweife ab, wollte ich doch noch was zur Story erzählen: Wegen seiner Länge wird Dragon Quest VIII in den ganzen US-Reviews als EPIC bezeichnet. Episodic trifft es besser: Die ganzen kleinen Quests die nötig sind um das Spiel voranzutreiben, stellen in sich geschlossene Geschichten dar, für die die Hauptstory nur eine grobe Rahmenhandlung liefert. Diese Nebenschauplätze sind es auch, die die Welt hier so liebenswert und lebendig machen. Ich hatte weniger das Gefühl als ob sie dem Spiel bloß als Schauplatz dient, sondern dass wir hier wirklich eine Welt retten, die es sich auch zu retten lohnt!

Es ist bemerkenswert wie Dragon Quest VIII auf zwei Arten funktioniert: Wer sich nur auf die Hauptstory beschränken will, kann das tun ohne groß abgelenkt zu werden. Wer wie ich darauf steht, Spiele so richtig auszulutschen braucht nur ein bißchen an der Oberfläche zu kratzen um jede Menge Geheimnisse freizulegen. Im Planwagen von King Trode befindet sich zum Beispiel ein nettes kleines Gerät, der Alchemy Pot. Mit dessen Hilfe können erst 2, später 3 Gegenstände kombiniert werden um neue Items zu erhalten. Viele Rezepte hierfür lassen sich in Bücherregalen in Dungeons und Städten finden, von denen du in der Regel einen Hinweis auf die Zutaten bekommst. Die mächtigsten Gegenstände aber kriegst du nur durch eigenes Herumprobieren heraus. Da die Items immer ein Weilchen kochen müssen (Sehr cool: Wenn er fertig ist, macht der Alchemy Pot ein mikrowelliges __ping) kann man sich hiermit schon länger beschäftigen.

Tradition hat in Dragon Quest das Casino, in Journey of the Cursed King gibt es gleich 2 davon. Ich hab nie kapiert, wie Leute spielsüchtig werden können, inzwischen weiss ich es :) Enix haben verdammt nochmal recht: Wenn man schon Minispiele einbaut, warum das Rad neu erfinden, wenn die RealLife-Minigames genauso gut funktionieren? Vor allem wenn ein freundlicher Healslime mit Zylinder beim Bingo die Zahlen zieht?

Obwohl der Held in Dragon Quest VIII über den extrem nützlichen Spruch Zoom verfügt, der dich sofort an bereits besuchte Orte bringt, wollen neue Regionen erstmal zu Fuß erschlossen werden. Etwa ab der Hälfte des Spiels lässt sich in einem Sidequest ein Reittier freispielen: So knuffig die Chocobos in Final Fantasy auch immer waren, gegen einen leibhaftigen Säbelzahntiger kommen sie nicht an. Mit ihm fliegt man nur so durch die Landschaft und kann endlich die Gebiete abseits der Wege zügig nach Schatzkisten abgrasen, ohne sich ständig mit Zufällskämpfen aufzuhalten zu müssen.

Fazit

Ich war echt von den Socken und bin auch gar nicht in der Lage das Erlebnis richtig zu beschreiben: Dragon Quest VIII ist eines der simpelsten Spiele die ich je gespielt habe, jedes seiner Elemente ist 10 Jahre alt, konservativ und bodenständig sind die treffendsten Bezeichnungen die mir gerade einfallen. Square-Enix und Level 5 haben gezeigt, dass man keine neuen Konzepte braucht, wenn die Ausführung so perfekt ist wie hier. Dragon Quest VIII lies mich die Zeit und alles um mich herum vergessen während ich vor der PS2 gesessen habe, ging mir nie auf die Nerven und hielt mich ständig mit einem Nur-Noch-Fünf-Minuten-Effekt gefangen, den ich seit bestimmt 8 Jahren nicht mehr erlebt habe.