Castlevania: Symphony of the Night
04 Sep 2005
Ich bin vielleicht nicht der Typ, der viel über zwischenmenschliche Beziehungen zu erzählen weiss, aber eines der Dinge die ich beobachten, oder am eigenen Leib feststellen konnte ist, dass man jemanden mögen kann, obwohl er Macken hat oder manchmal ein Verhalten an den Tag legt, das schlicht zum Haare-raufen ist. Ich will mich da selbst sicher nicht ausnehmen und wer sich sonst noch angesprochen oder bestätigt fühlt, darf jetzt in sich hineinschmunzeln :)
Ein Spiel zu dem ich eine ähnliche Beziehung pflege, ist Castlevania: Symphony of the Night, das hat mit seinem Erscheinen auf Playstation (1997) und Saturn (1998) für die ganze Serie eine neue Ära eingeleitet hat. Bisher war jedes Castlevania eine sehr schlichte, knüppelharte Umsetzung des ursprünglichen Spielprinzips von 1986 mit nur leichten Abweichungen, wie zum Beispiel der beliebten Peitsche aus
Super Castlevania, die nicht nur stumpf geradeaus geschlagen werden konnte, sondern auch -OMG- nach oben, unten, diagonal und sogar gasp im Kreis.
Mit Symphony of the Night wurde alles anders: Während der Arbeiten daran stieß Koji Igarashi zum Entwicklungsteam und begann, Ordnung in die bis dahin chaotische Castlevania-Welt zu bringen. Bisher hatte niemand richtig die Entwicklung der verschiedenen Teile koordiniert, Igarashi versuchte in Symphony of the Night, die ganzen losen Enden wieder zu verknüpfen und, soweit möglich, Struktur in die Timeline von Castlevania zu bringen. Mit Ausnahme der N64-Teile hat Igarashi seitdem die Aufsicht über die Serie, mit der folge dass auch alle nachfolgenden Spiele vor allem Symphony of the Night entlehnt sind.
Was heisst das genau? Nun, in Symphony of the Night wurde die große, überspannende Castlevania Geschichte verdichtet und auf den Punkt gebracht. Die konkrete Handlung des Spiels, die diese große Geschichte aufgreift und weiterführt, wird in Dialogen erzählt. Zum ersten Mal sind wir nicht allein im Schloß, schweigend und einsam auf dem Weg zu Draculas Thronsaal, sondern treffen im Schloss immer wieder auf andere Figuren, vor allem die mysteriöse Maria kreuzt ständig unseren Weg. Das wird dadurch ermöglicht, dass das Spiel zum ersten Mal nicht mehr linear abläuft.
Nach dem Motto “Besser gut geklaut als schlecht selbstgemacht”, hat Igarashi das Spiel mit dem Gameplay von Super Metroid ausgestattet und darüberhinaus noch um simple Rollenspiel-Elemente erweitert. Wir können uns jederzeit frei im Schloß bewegen, wie auf Zebes versperren uns aber hier und da Hindernisse den Weg, die erst überunden werden können, wenn wir uns entsprechende Items erkämpft oder gefunden haben. Die Rollenspielelemente bestehen aus Level-Ups die durch Erfahrungspunkte erreicht werden, welche man -wie sollte es anders sein- durch das Erledigen von Gegnern verdient, sowie Schwerter, Rüstungen, Schilder und Accessoires, die entweder gefunden, von Feinden hinterlassen oder gekauft werden.
Bei diesen massiven Änderungen am Gameplay haben sich dann aber auch leider der ein oder andere Schnitzer ins Spiel geschlichen, die Macken die ich im ersten Absatz angesprochen habe. So haben die Rollenspielelemente vor allem Gimmick-Character und tragen nicht wesentlich zum Spiel bei, vor allem aber ist Symphony of the Night extrem schlecht balanciert. Das Spiel lässt sich ohne größere Probleme unter dem Einfluss nicht unbeträchtlicher Mengen Hash-Brownies durchspielen. In der zweiten Hälfte des Spiels werden die Gegner zwar deutlich stärker, allerdings lässt sich ab diesem Zeitpunkt auch eine Waffe finden, die alles womit man sich bisher durchgeschlagen hat, in den Schatten stellt und Alucard, den Protagonisten, durch sanftes Drücken des Schlag-Buttons in eine wandelnde Rasierklinge verwandelt.
Normalerweise wandern Spiele mit diesen Symptomen bei mir nach dem Abspann mit einem Achselzucken in den Schrank, bei Symphony of the Night juckt es mir aber auch nach zweimaligem Durchspielen jedesmal in den Fingern wenn ich nur daran denke, denn trotz der Mängel macht es einfach unglaublichen Spaß, Draculas Schloß -mal wieder- von seinem Herren zu befreien. Bei meiner letzten Session saß ich buchstäblich solange vor der Playstation, bis diese überhitzte und Texturfehler auftraten. Nach einer kurzen Abkühlung ließen sich aber durch einen kleinen Ventilator weitere Unterbrechungen zum Glück vermeiden.
Abgesehen von den Änderungen im Spieldesign hat die Playstation es Konami ermöglicht, auch die Ästhetik des Spiels enorm zu verfeinern. Bis dahin hatte niemand Sonys Konsole die 2D-Leistungen zugetraut die Symphony of the Night hervorgezaubert hat, die Sprites sind butterweich animiert und liebevoll und detailreich gezeichnet. Die Idee, 1997 noch ein 2D Spiel auf einer Konsole herauszubringen, auf der alle nach 3D schrien war gewagt, ist aber umso besser gelungen. Hier ist 3D nicht Zweck sondern Mittel: Die Fähigkeiten des 3D-Chips setzt das Spiel gekonnt für beeindruckende Effekte im Vorder- und Hintergrund ein, so dass viele Bereiche des Schlosses fast plastische Tiefe erhalten. Wahrscheinlich waren es gerade diese Effekte, die meine alte PS1 ein bißchen aus der Puste brachten, etwas das kein anderes Spiel bisher zuwege brachte.
Genauso flüssig wie die Grafik fühlt sich vor allem aber die Steuerung an: Sie ist nicht nur extrem präzise, Alucards Animationen und ein extrem cooler Ghosting-Effekt verleihen allein dem Durchschreiten eines schlichten Raumes Anmut, der Stylefaktor sprengt die Skala, wenn man dabei im Vorbeigehen Gegner köpft und behende über Hindernisse springt.
Alucard dug himself up from his grave, compelled by wailing guitars, to bury his past
Was mir jedoch am meisten gefallen hat und wirklich die letzten Mängel vergessen macht, ist der unglaubliche Soundtrack von Michiru Yamane: 35 extrem geile Tracks verwandeln das Spiel in eine 2D-Action-Oper. Die Lieder gehören jeweils zu einem speziellen Abschnitt des Schlosses, passen stets perfekt zum Stil der Gegner und Räume die einen gerade umgeben und verleihen dem Spiel durch die gelungene Kombination von klassischen und Metal-Elementen noch zusätzlichen Schub.
Die Serie verdankt Igarashi und Symphony of the Night eine Menge. Leider sind die einzigen 2D-Teile die von dem frischen Wind in Draculas Gemäuer noch etwas mitbekommen haben, die 3 Gameboy Advance Teile Circle of The Moon, Harmony of Dissonance und Aria of Sorrow, sowie das demnächst erscheinende Dawn of Sorrow. Trotzdem: Wer weiss, ob Castlevania ohne Symphony of the Night heute statt der wiederbelebten und gehörig aufpolierten Kult-Serie nicht nur noch eine schöne Erinnerung für nostalgische Hardcore-Zocker wäre?